Die FISBOX® gehört zu den erfolgreichsten Produkten der HZD. Als digitales Werkzeug für die öffentliche Verwaltung muss auch die Anwendungsplattform für Fachverfahren den gesetzlichen Anforderungen zur Barrierefreiheit entsprechen. Im März 2023 begann die HZD nach längerer Vorbereitung mit der Umsetzung von Maßnahmen, die auch Menschen mit Behinderungen die Nutzung der FISBOX® Anwendungsplattform für Fachverfahren ermöglicht. Im ersten Schritt wurde die generische Sachbearbeitungskomponente (SBK) angepasst, im Laufe des Jahres 2024 werden dann Zug um Zug sämtliche Fachinformationssysteme als barrierefreie Angebote zur Verfügung stehen.
Digitale Barrierefreiheit
Barrierefreie FISBOX®
Roadmap für das anspruchsvolle Vorhaben
Ziel der sukzessiven Anpassung der einzelnen FISBOX® Bausteine ist Konformität mit den Standards EN 301 549 bzw. WCAG (Level AA) und BITV2.0. Um dies zu erreichen, wurden folgende Handlungsfelder definiert:
- Auszeichnung sämtlicher Elemente für Screenreader
- einfache Tastaturbedienbarkeit mit deutlich sichtbarem Fokus
- Verbesserung der Kontraste
- Einrichtung spezieller Benutzereinstellungen
Darüber hinaus sollte eine barrierefreie Dokumentation erfolgen und ein Handlungsleitfaden für FISBOX® Entwicklungsteams erstellt werden.
Projekteinstieg und erste Learnings
Um das gesamte Team der FISBOX® Kernentwicklung für die Anforderungen zur Barrierefreiheit zu sensibilisieren, gab es initial eine auf mehrere Tage angelegte Schulung. Die positive Erfahrung aus dieser Form der Wissensvermittlung: Der Abstand zwischen den Lerneinheiten ließ die nötige Zeit, die neu erworbenen Kenntnisse zu reflektieren und direkt anzuwenden. Auftretende Fragen konnten dann beim nächsten Termin am „lebenden Objekt“ geklärt werden.
Im Anschluss an die Schulung erfolgte die entwicklungsbegleitende Prüfung der Anwendung auf Barrierefreiheit, für die es zeitnah aktualisierte Testprotokolle gab. Dieses Vorgehen kam der agilen Arbeitsweise sehr zugute.
Vermeintlich kleine Änderungen können im schlimmsten Fall bestehende Funktionalitäten beeinträchtigen. Deshalb ist es wichtig, die Anwendung in allen Phasen der Umstellung auf die barrierefreie Version kontinuierlich zu testen.
Kleine Aufgaben und große Herausforderungen
Bei der Umsetzung der Anforderungen zur Barrierefreiheit waren Maßnahmen ganz unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade umzusetzen. Am unkompliziertesten war das Einfügen von Zusatzinformationen an bestehende Elemente, damit der Screenreader diese entsprechend vorlesen kann. Auch die Änderung von Farben zur Optimierung des Kontrasts gehörte zu den leichteren Aufgaben.
Andere Anforderungen erschienen auf den ersten Blick ebenso einfach umzusetzen, entpuppten sich dann aber als ziemlich aufwändig. Eine davon betraf die inaktiven Schaltflächen. Auch diese müssen mit Hilfe der Tastatur angesteuert werden können und dann einen deutlich sichtbaren Rahmen zur Kenntlichmachung des Tastaturfokus erhalten. Außerdem sind die inaktiven Schaltflächen so einzurichten, dass der Screenreader den hinterlegten Hinweistext (wie etwa „Bearbeiten Schaltfläche inaktiv“) vorliest. Da diese Anforderung von dem für die FISBOX® eingesetzten Windows Presentation Framework (WPF) standardmäßig nicht unterstützt wird, musste eine eigene Lösung entwickelt werden. Dazu war jedes Steuerelement der Anwendung in ein zusätzliches Steuerelement für den Rahmen zur Kenntlichmachung des Tastaturfokus einzubetten. Dies hatte zur Folge, dass an vielen Stellen der FISBOX® Änderungen vorgenommen werden mussten und das Team letztendlich die Logiksteuerung der Tabulatorreihenfolge komplett neu programmierte.
Eine weitere große Herausforderung war die durchgängige Tastatursteuerbarkeit der gesamten Anwendung. Um diese zu meistern, wurde unter anderem der Navigator logisch in drei Regionen unterteilt. Die Navigation innerhalb der Regionen erfolgt nun mit Hilfe der Tabulatortaste, der Wechsel in eine andere Region kann über die Tasten F6 (Wechsel in die nächste Region) bzw. Umschalttaste + F6 (Wechsel zur vorherigen Region) vollzogen werden.
Screenreader sind insbesondere für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen ein wichtiges Hilfsmittel. Beim konkreten Auslesen der Bildschirminhalte gibt es je nach Anbieter durchaus Unterschiede. Da Jaws der am häufigsten verwendete Screenreader an den Arbeitsplätzen der Landesverwaltung ist, hat sich das FISBOX®-Team auf dieses Produkt konzentriert und andere Lösungen wie Windows Narrator oder NVDA außen vor gelassen.
Allgemeines Fazit
Wie leicht oder schwer die Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllt werden können, hängt unter anderem von der Technologie und den eingesetzten Frameworks ab. Bei Webanwendungen hat das Thema einen hohen Stellenwert – nicht zuletzt deshalb, weil Alternativtexte und andere Zusatzinformationen sich positiv aufs Suchmaschinen-Ranking auswirken. Technologien wie beispielsweise WPF werden weniger dynamisch weiterentwickelt und bieten darum oft nur ein begrenztes Spektrum an Möglichkeiten. Wer solche Komponenten für Fachanwendungen nutzt, muss sich darauf einstellen, für speziellere Funktionalitäten eigene Lösungen zu entwickeln.
Autoren des Beitrags
Fred Schehr
Produktmanager FISBOX®
Jesko Stampa
Entwicklungsleitung FISBOX® Kern