Dreiteilige Bildcollage zum Jahresberichts-Kapitel Innovationsmanagement

Innovationsmanagement

Neue Technologien und IT-Produkte sind ein entscheidender Schlüssel für den digitalen Fortschritt. Das Innovationsmanagement der HZD nimmt solche digitalen Zukunftstechnologien in den Fokus und analysiert diese unter Laborbedingungen hinsichtlich ihrer Eignung als Standards und ihrer anwendungsorientierten Einsatzmöglichkeiten in der Verwaltung.

Von der Vision in die Verwaltung

Seit die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung an Bedeutung gewann, ist es immer ein Kernanliegen gewesen, durchgängige Prozesse zu gestalten, die Verwaltungsleistungen für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Organisationen und die Gesellschaft einfach erschließen. Auf diesem Weg galt und gilt es noch immer, viele Hindernisse zu überwinden. Ging es zunächst darum, unter dem Stichwort „Medienbruch“ handschriftlich ausgefüllte Papierformulare, die sich die Kunden erst einmal beschaffen mussten, durch elektronisch verfügbare Formulare und dann durch Onlineformulare abzulösen, stehen heute eher die Schnittstellen zwischen verschiedenen Anwendungen teilautomatisierter Prozessketten im Fokus. Der einheitliche und zentrale Zugang zu den elektronischen Leistungen im Rahmen der OZG-Umsetzung ist ein Beispiel dafür, wie Grenzen zwischen Zuständigkeiten überwunden werden können.

Viel wurde schon erreicht und ist im Rahmen der großen Digitalisierungsinitiativen bereits auf den Weg gebracht. Doch immer wieder begegnen uns auch Beispiele dafür, wo Verbesserungen möglich und nötig sind. Und die Welt verändert sich täglich. Insbesondere die IT schafft ständig neue Möglichkeiten und weckt damit auch Erwartungen an den Einsatz von Technologien in der öffentlichen Verwaltung.

Schematische Darstellung des Innovationsprozesses der HZD

Digitale Modelle zur Prozesssteuerung

Hier setzt das Innovationsmanagement in der HZD an, das die digitale Verwaltung von morgen in den Fokus nimmt. Dabei betrachtet die HZD vorrangig solche Technologien, die auch außerhalb der Verwaltung noch relativ jung sind, und untersucht, wie diese einen Mehrwert für das Land liefern können – sei es im Hinblick auf die Wirtschaft, den Alltag der Bürgerinnen und Bürger oder auch innerhalb der Verwaltung.

Eine dieser Technologien, die die HZD im Jahr 2021 untersucht hat, ist die Robotic Process Automation (RPA). Diese Technologie dient dazu, Prozesse insbesondere da zu automatisieren, wo mangels technischer Schnittstellen Brüche in der digitalen Bearbeitung von Vorgängen auftreten. Dies dient nicht allein dazu, die Gesamtprozesse effizienter zu machen, sondern unterstützt auch eine bürgernahe Aufgabenerfüllung. So kann die Prozessautomation dazu beitragen, dass ein One-stop-Government-Angebot nicht nur 24 Stunden an jedem Tag des Jahres „geöffnet“ hat, um Anliegen entgegenzunehmen, sondern dass auch die Bearbeitung direkt einsetzt.

Das Ziel von RPA ist es, Schnittstellen zwischen verschiedenen Anwendungen zu schaffen, die gemeinsame Daten nutzen, und so die Anwenderinnen und Anwender davon befreien, Daten mehrfach manuell zu erfassen oder durch Kopieren und Einfügen zu übertragen.

Neben den Schnittstellen zwischen Anwendungen stellt auch diejenige zum Kunden oft ein Hindernis dar. Verwaltungssprache ist wie jede Fachsprache oft schwer verständlich. Die Notwendigkeit, Sachverhalte präzise und rechtssicher darzustellen, steht nicht selten im Widerspruch zu einer allgemeinverständlichen Beschreibung. So wird auch der virtuelle Gang zum Amt als umständlich wahrgenommen und es ist hilfreich, wenn der Dialog zwischen Verwaltung und ihren Kunden schon beginnt, bevor der fachliche Prozess einsetzt. Die Qualifizierung des Anliegens erfordert ggf. Fragen an die Person, die es vorbringt. Den entsprechenden Dialog kann ein Chatbot führen. Dies kann auch helfen, ein Hindernis wie Öffnungszeiten zu überwinden. Um das Anliegen und weiterführende Antworten nicht nur zu hören, sondern auch inhaltlich zu verstehen, können KI-Techniken zum Einsatz kommen, die den digitalen Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern nicht auf relativ starre Formulierungen reduzieren, sondern den Umgang mit neuen Gesprächssituationen lernen können.

Von der realen in die digitale Welt

Intelligente Chatbots sind ein Beispiel dafür, wie die Landesverwaltung Teil des lebendigen KI-Ökosystems in Hessen werden kann. Neben dem Einsatz von KI-Methoden in der Sprachverarbeitung untersucht das Innovationsmanagement auch Anwendungsmöglichkeiten für Bildanalysen. So wie die Sprachverarbeitung die Verständigung zwischen Menschen innerhalb und außerhalb der Verwaltung erleichtern kann, können Bildanalysen den Austausch von Informationen zwischen der realen und der digitalen Welt verbessern.

Dieser Austausch wird wichtiger, wenn digitale Modelle die Steuerung von Prozessen in der realen Welt nicht nur unterstützen, sondern auch übernehmen sollen. Neben der Verbindung zwischen beiden Welten mit Hilfe von Sensoren und Aktoren wird dann auch ein digitales Modell benötigt, das die funktionalen Zusammenhänge im realen System abbildet. Solche „digitalen Zwillinge“ werden u. a. zur vorausschauenden Wartung (engl. „predictive maintenance“) technischer Anlagen verwendet. Hier sind im Land Anwendungen z. B. beim Betrieb von Maschinen und Anlagen, IT-Systemen, Gebäuden oder Verkehrswegen denkbar.

Ein digitaler Zwilling stellt ein digitales Abbild eines realen Systems dar, das nicht nur die relevanten Daten sammelt und bereitstellt, sondern auch die Zusammenhänge modelliert und bei Bedarf die Regelung des Referenzsystems erlaubt – ggf. nach vorheriger Simulation von aktiven Projekten der HZD

Für die Evaluation der Technologie hat das Innovationsmanagement der HZD einen Anwendungsfall aus dem Bereich Pflanzenbau gewählt. Zum einen ist dieser Anwendungsfall relativ einfach vermittelbar: Wie können verschiedene Techniken genutzt werden, um Pflanzen besser wachsen zu lassen? Zum anderen ist Hessen in diesem Thema sowohl mit dem Landesbetrieb Landwirtschaft als auch mit der Hochschule Geisenheim stark vertreten, sodass hier profundes Fachwissen in dem Anwendungsfall zur Verfügung steht. So ordnet sich diese Innovationsmaßnahme fachlich in den Themenkomplex Land- und Forstwirtschaft 4.0 ein, der im Rahmen der Digitalstrategie den durch Landwirtschaft, Garten- und Weinbau sowie die Forst- und Ernährungswirtschaft geprägten ländlichen Raum in den Blick nimmt. Aber auch das Kulturgeschehen könnte von derartigen Ansätzen profitieren. Den realen Kulturraum in die digitale Welt zu verlängern und von dort aus wiederum zu verändern, wäre nicht nur in Zeiten der Corona- Pandemie ein interessantes Experiment.

Eine Frage der Verantwortung

In dem Maß, in dem wir den Maschinen die Kontrolle über Prozesse geben, verschiebt sich auch die Verantwortung für deren Handeln. Wo im manuellen Prozess z. b. ein Sachbearbeiter mit seinen Fachkenntnissen einen kritischen Blick auf den Vorgang wirft, läuft im automatisierten Fall alles nach Schema F ab – so wie es im Code definiert wurde. Wenn das Modell im digitalen Zwilling, im RPA-Bot oder auch in der klassischen Fachanwendung nicht auf Ausnahmen eingestellt ist, können Fehler entstehen.
Auf der anderen Seite können digitale Modelle auch in komplexen Situationen agieren, in denen Menschen schnell den Überblick verlieren – insbesondere, wenn diese noch nie erlebt wurden. Sich auf unbekannte Situationen einzustellen, ist eine Stärke selbstlernender Systeme, die ihre Modelle eigenständig verändern können. Wer dann für das Handeln der Maschine die Verantwortung trägt, ist nicht so einfach zu beantworten, denn hier gibt es ja nicht den Modellierer oder Programmierer, der die Regeln für Entscheidungen festlegt. Daher wundert es nicht, dass Fragen der digitalen Ethik oder der Rechtsverbindlichkeit maschineller Auskünfte oder Entscheidungen das Innovationsmanagement zunehmend beschäftigen.

Chatbots – also „Dialog-Roboter“ – sind Systeme zur automatisierten Kommunikation. Sie können z. B. Informationen aus Datenströmen sammeln, Informationen verbreiten oder unter Zuhilfenahme von KI in „intelligenten“ Dialogen auf Situationen reagieren.

Innovationsthemen – der Stoff für Studierende

Die Brücke zwischen der rein technischen oder methodischen Entwicklung und der gesellschaftlichen Entwicklung muss ausgebaut und verstärkt werden. Dabei können jüngere Generationen, die einerseits mit Internet, smarten Geräten oder Formen des digitalen Lernens und Arbeitens aufwachsen, die andererseits aber auch eigene Perspektiven für die gesellschaftliche Zukunft entwickeln, eine wichtige Rolle spielen. In der HZD wird diese insbesondere von den rund 80 dual Studierenden wahrgenommen, die hier wertvolle Erfahrungen in realen IT-Projekten sammeln und die Digitalisierung der Verwaltung wahrhaftig erleben. Den Einsatz kommender Technologien können sie im Innovationsmanagement der HZD mitgestalten. Damit Studierende mit ihren Ideen und Überlegungen kein „Inseldasein“ führen sowie die Arbeit im Team kennenlernen, haben sie im Rahmen ihres dualen Studiums die Möglichkeit, an konkreten Aufgaben aus denaktiven Projekten der HZD mitzuarbeiten – egal ob in den regelmäßig wiederkehrenden Praxisphasen oder im Zuge ihrer Abschlussarbeiten.
Das Innovationsmanagement der HZD bietet dabei ein besonders interessantes Einsatzgebiet, ist die Palette der Themen, die die Studierenden hier bearbeiten können, doch sehr breit und schließt das ganze Spektrum der IT ein. Von den neun Studierenden, die im Jahr 2021 im Innovationsmanagement gearbeitet haben, haben drei ihre Abschlussarbeiten hier geschrieben.

Einpassen in moderne IT-Architekturen

So wie ein neues Gebäude auch immer Teil seiner Umgebung wird und die Umgebung aus einzelnen Elementen besteht und doch ein Ganzes ist, so werden auch neue Technologien Teil der bereits vorhandenen IT-Landschaft. Für die Gestaltung und Weiterentwicklung der IT-Landschaften in der Landesverwaltung ist das Enterprise Architekturmanagement (EAM) verantwortlich. Und so führt der Prozess des Innovationsmanagements fast zwangsläufig zum EAM. Mit dem Ende der Evaluation im Innovationsmanagement beginnt also der Prozess des EAMs, in dem geprüft wird, ob eine untersuchte Technologie tatsächlich zum Einsatz kommen soll, ob also ein konkreter Bedarf existiert, der durch den Einsatz der Technologie sinnvoll gedeckt werden kann, und ob die Technologie eine sinnvolle Ergänzung der IT-Landschaft sein könnte. Ein Ergebnis kann sein, dass die Technologie noch nicht so ausgereift ist, als dass sie die Erwartungen oder die Versprechen des Marketings erfüllt, und dass der Einsatz zumindest zurückgestellt wird. Im positiven Fall setzen die Entwicklungsprozesse der HZD und ggf. die Standardisierungsprozesse des Landes ein.

Das Innovationsmanagement strukturiert und bereitet den Weg von neuen Technologien aus der Forschung bis hin zum praktischen Einsatz. Das EAM sorgt dann dafür, dass aus kühnen Visionen realisierbare Produkte werden. Um diese funktionale Verzahnung der beiden Disziplinen auch operativ besser umsetzen zu können, hat die HZD 2021 die Weichen dafür gestellt, beides künftig in einer Organisationseinheit zusammenzufassen und personell deutlich zu verstärken. Was in der täglichen Arbeit schon praktiziert wird, soll durch eine gesamtverantwortliche Steuerung noch stärker verzahnt werden.

Innovation in der IT soll mittelbar oder unmittelbar immer Kundinnen und Kunden der HZD und letztlich Bürgerinnen und Bürgern, der Wirtschaft und der Gesellschaft dienen. Durch die organisatorische Verschmelzung von Innovations- und Architekturmanagement will die HZD den Blick auf das, was möglich ist, und das, was notwendig ist, schärfen. So schlägt sie eine Brücke von der Forschung und Entwicklung innovativer Technologien und Methoden in die Verwaltung von Morgen und darüber auch zur Strategie Digitales Hessen, die Forschungsexpertise, Innovationskraft und reflektiertes Handeln als Grundvoraussetzungen definiert, um den digitalen Fortschritt im Land mitzugestalten.

Schlagworte zum Thema