Im Jahr 2005 wurde auf Initiative der Heise-Redaktion ein Experiment durchgeführt, das ursprünglich die Möglichkeiten der Optimierung von Suchmaschinen- Rankings untersuchen sollte. Man benötigte hierfür einen Begriff, den es mit Sicherheit vorher nicht gab. Diesen wollte man wie eine Markierungsfarbe benutzen, mit der Verläufe von unterirdischen Gewässern nachgewiesen werden – nur eben virtuell im Internet. Zu diesem Zweck wurde die „Hommingberger Gepardenforelle“ erfunden. Weder der Ort Hommingberg noch der Fisch existieren, und somit hatte man Begriffe, die eindeutig dem Experiment zuzuordnen und entsprechend gut messbar waren. In der Folge wurden zu dem Begriff Inhalte für Webseiten und Blogs erstellt und die dazugehörigen Suchmaschinentreffer aufgezeichnet.
Die Untersuchung verlief erfolgreich und brachte die für das Vorhaben benötigten Daten. Das wirklich Erstaunliche ist jedoch, dass sich auch Jahre danach immer noch Beiträge im Internet finden, die sich auf die Nonsens-Artikel beziehen. Im Gegensatz zu den Initiatoren, die zu wissenschaftlichen Zwecken bewusst und angekündigt Falschinformationen verbreitet haben, meinen es die Nachahmer jedoch ernst. Es finden sich Kochrezepte, Schilderungen von Angelerlebnissen samt Bildern, pseudowissenschaftliche Abhandlungen u.v.m. mit Bezug zu dem ursprünglichen Begriff.
Dies zeigt auf sehr anschauliche Weise, wie sich Informationen im Internet verselbständigen. Wer macht sich heutzutage auch noch die Mühe, Begriffe in einem Lexikon nachzuschlagen? Es ist inzwischen beinahe selbstverständlich, dass das Internet immer verfügbar ist und eine schnelle Suchmaschinen-Recherche zahllose Treffer zu einem bestimmten Begriff liefert. Das ist allerdings auch Teil des Problems, dem sich unsere Gesellschaft heute konfrontiert sieht: Es sind zu viele unterschiedliche Informationen verfügbar, und die Konsumenten nehmen sich oft nicht die Zeit, evidenzbasierte Informationen von Fiktion und Falschnachrichten zu unterscheiden.
Wir sind mit der Annahme aufgewachsen, dass alles, was „schwarz auf weiß“ nachzulesen ist, auch wahr sein muss. Das stimmte zu Zeiten von gedruckten Medien, für die professionelle Redakteure Artikel verfassten, meist auch (wenn man schwarze Schafe der Regenbogenpresse mal außen vor lässt). Unsere heutige Medienkompetenz ist in diesem Szenario noch immer verankert, sodass wir auch im Internet propagierten Text meist ohne Bewertung als glaubhaft akzeptieren. Dabei kann hier ernsthaft recherchierter Kontext direkt neben den größten Hirngespinsten stehen und bekommt dadurch quasi denselben Stellenwert.
Wir müssen als Konsumenten lernen, den Ursprung eines Textes kritischer zu hinterfragen. Grundsätzlich sollte bei einer Recherche immer gezielt reflektiert werden, ob es sich bei dem Content um beweisbare Fakten, individuelle Meinungen oder gar Propaganda handelt. Im Zweifelsfall kann dies mit Plattformen wie mimikama.org, correctiv.org, verifi.ch oder dem Faktenfinder der ARD überprüft werden. Letztendlich haben wir als Konsumenten es in der Hand, ob die Gepardenforellen des Internets das bleiben, was sie sind – Anglerlatein.