Bildkomposition aus Polizeiwagen in großstädtischer Straßenschlucht, halbtransparenter Wand mit weißem Türrahmen und darüber gelegtem Gitter mit zahlreichen Knotenpunkten

Ermitteln in neuer Dimension

Wiesbaden, 10.09.2025: Die hessische Polizei setzt seit einigen Jahren erfolgreich auf cloudbasierte Services der HZD. Mit ihren maßgeschneiderten Anwendungen unterstützt diese aber nicht nur die polizeiliche Ermittlungsarbeit, sondern bietet inzwischen auch anderen Behörden die Vorteile einer Cloud-Umgebung – flexibel, sicher und skalierbar.

Die HZD hat in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Landeskriminalamt (HLKA) und dem INNOVATION HUB 110 des Hessischen Polizeipräsidiums für Technik die „Polizei Cloud Hessen“ (PCH) für die speziellen Bedarfe von Sicherheitsbehörden aufgebaut.

Ausgehend von einem konkreten Anwendungsfall – der Bekämpfung sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen – wurde das Cloud-Angebot kontinuierlich erweitert. Mittlerweile laufen mehrere Verfahren über die Cloud, die über Hessen hinaus weitere Polizeibehörden sowie Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben – beispielsweise der Zoll – nutzen. Darüber hinaus gewährleisten spezielle Schnittstellen zur Justiz, dass die Ermittlungsarbeit und die Zusammenarbeit bei der Kriminalitätsbekämpfung deutlich effizienter werden. Dieses Know-how bringt die HZD gemeinsam mit dem HLKA und dem INNOVATION HUB 110 als wichtigen Erfahrungsschatz in die Cloud-Vorhaben ein. Und diese dienen inzwischen viel mehr als nur der polizeilichen Arbeit. 

Groß denken, klein anfangen 

Was heute eine komplexe Cloud- Umgebung ist, begann mit einem ganz konkreten Projekt: dem zentralen Forensiknetz zur Unterstützung der Bekämpfung sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen, das Asservate zentral zugänglich macht.

Tobias Klein, Projektleiter in der HZD, bringt die Neuerung auf den Punkt: „Die Kooperationspartner haben die zuvor dezentral organisierten Systeme der hessischen Polizei durch eine cloudbasierte Lösung abgelöst. Auf sichergestellte Asservate, insbesondere Bild- und Videomaterial, kann nun zentral über einen Forensik-Desktop zugegriffen werden – und zwar durch mehrere Personen gleichzeitig. Das ist ein echter Meilenstein in der Ermittlungs- und Analysearbeit“, so Klein. „Jetzt muss das Material nicht mehr per Kurier von Behörde zu Behörde transportiert werden. Außerdem können Hashwerte, die zur Wiedererkennung bekannten Materials dienen, schneller mit dem BKA geteilt werden. Das hat die Schlagkraft aller Polizeipräsidien enorm gebündelt und verbessert.“

Wolfgang Maier, Bereichsleiter für das Anwendungsmanagement der Polizei, ergänzt: „Hier kam uns natürlich auch zugute, dass der politische Handlungsdruck enorm groß war. Dadurch wurden entsprechende Mittel bereitgestellt, was der Entwicklung solch innovativer Cloud- Lösungen einen großen Schub verliehen hat.“ 

„Der cloudbasierte Forensik-Desktop hat unseren Ermittlungsalltag deutlich verbessert: Jede Person im Team kann direkt von ihrem Arbeitsplatz auf die digitalen Beweismittel zugreifen. In der geschützten, vom Polizeinetz getrennten Umgebung werden die Asservate ausgewertet, ohne dass dabei das Risiko besteht, Computerviren einzuschleppen. Durch die einheitliche Nutzung derselben Werkzeuge über den Forensik-Desktop etablieren alle Polizeibehörden in Hessen einen einheitlichen Standard bei der Auswertung von Beweismitteln. Sobald die Daten begutachtet, bewertet und kategorisiert sind, ist es nicht erforderlich, dass weitere Personen das teils belastende Material erneut sichten, was den Ermittlungsprozess zudem erheblich beschleunigt.“

Laura Schink, Ermittlerin in der BAO FOKUS Polizeipräsidium Westhessen

Erweitern im Akkord

Obwohl das Forensiknetz ursprünglich für einen sehr begrenzten Nutzerkreis gedacht war, hatten Auftraggebende und Projektbeteiligte noch größere Pläne im Kopf. Die Entwicklerinnen und Entwickler konzipierten die Cloud von Beginn an modular und mandantenfähig, um schnell auf neue Anforderungen reagieren zu können.

Diese Weitsicht ermöglichte es, den Forensik- Desktop zügig zu erweitern und weitere Deliktfelder wie Organisierte Kriminalität oder Staatsschutz einzubeziehen. Dabei hat sich auch die Art der zu analysierenden Asservate geändert: Während zunächst vor allem Bild- und Videomaterial im Fokus standen, gewinnen heute die Daten von Mobiltelefonen und anderen digitalen Medien an Bedeutung, deren Auswertung mit denselben bewährten Tools erfolgt.

„Für die hessische Polizei ist die PCH ein riesengroßer Schritt nach vorne bei der Modernisierung unserer IT-Infrastruktur und Teil unserer hybriden Cloud- Strategie, die wir gemeinsam mit der HZD gestalten“, betont Kriminaldirektor Daniel Becker, Leiter des INNOVATION HUB 110, dem Digitalisierungsmotor der hessischen Polizei. 

Bildkomposition aus Tatort mit Einsatzwagen und Helikopter, zum Teil verschwommen dargestellten Personen und darüber gelegtem Gitter mit zahlreichen Knotenpunkten

Cloud klug genutzt

Doch wie machen sich die Chancen der Cloud in der Polizei-IT konkret bemerkbar? Einer der zentralen Vorteile der Cloud liegt in ihrer Flexibilität und Skalierbarkeit – Eigenschaften, die sich besonders bei der Auswertung von Beweismitteln bezahlt machen.

Tobias Klein erläutert die praktische Anwendung: „Für die Auswertung der Asservate braucht es enorm viel Rechenleistung. Die Rechenzentrumskapazitäten können mithilfe einer Cloud-Infrastruktur relativ einfach skaliert, also dynamisch umverteilt werden. Mal braucht der eine Ermittler gerade sehr viele Ressourcen für die automatisierte Bildanalyse. Im nächsten Moment möchte eine Beamtin in einer anderen Polizeibehörde Mobildaten auswerten. Wir können mit unserer Infrastruktur flexibel darauf reagieren und Ressourcen auf unserer Plattform je nach Bedarf zuteilen. Der Kauf oder die Zuschaltung weiterer Hardware, insbesondere weiterer Grafikprozessoren, ist nicht nötig. Der Bedarf an Rechenzentrumsleistung bleibt so trotz der Vielzahl der Verfahren überschaubar.“

Darüber hinaus vereinfacht die Cloud die Integration von spezieller Software und künstlicher Intelligenz. Die zentrale Erreichbarkeit und der einfache Zugriff über verschiedene Standorte sind ebenfalls große Pluspunkte, auch wenn sie kein Alleinstellungsmerkmal der Cloud sind. Wolfgang Maier ergänzt, dass die Netzwerkvirtualisierung in der Cloud noch weitere Vorteile mit sich bringt: „Wir sind in der Lage, sehr schnell logische Einheiten aufzubauen. Das macht es uns möglich, ohne viel Aufwand weitere Verfahren anzudocken – beispielsweise die elektronische Akte in Strafsachen.“ 

Cloudbasierte Kommunikation mit der Justiz

Die elektronische Akte in Strafsachen (eAS) ist ein weiterer zentraler Baustein, den die HZD inzwischen über ihre Cloud-Infrastruktur betreibt – und zwar bundesweit. Die Tür zu dem Vorhaben, das zum Bund-Länder-Programm P20 unter Leitung des Bundesministeriums des Innern gehört, öffnete das erfolgreiche Forensiknetz. Über eine Kooperation mit dem Hessischen Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz betreibt die HZD nun ein digitales Kommunikationssystem auf Cloud- Basis, das den Datenaustausch zwischen Polizei und Justiz digital ermöglicht. Die Zeiten meterhoher Papierakten, die per Kurier von der Polizei an die Justiz übergeben wurden, werden der Vergangenheit angehören.

Seit September 2024 läuft die Umsetzung als Pilotprojekt – derzeit in vier Bundesbehörden, neun Länderpolizeien (einschließlich der hessischen) sowie in der Zollverwaltung. Das Projekt ist anspruchsvoll: Die beteiligten Behörden nutzen teils sehr heterogene IT-Systeme, die trotzdem sicher miteinander kommunizieren müssen. Hier sind einheitliche Standards für die digitale Kommunikation gefragt, ohne dass dabei Daten verändert werden können. Tobias Klein veranschaulicht: „Das kann man sich wie ein Langenscheidt-Wörterbuch vorstellen, das sozusagen zwischen den Sprachen der beiden Systeme übersetzt: Polizei – Justiz; Justiz – Polizei.“

Bildkomposition aus Festnahmesituation mit Polizeiwagen und zum Teil verschwommen dargestellten Personen sowie einem darüber gelegten Gitter mit zahlreichen Knotenpunkten

Sicherheit trotz breitem Nutzerkreis

Wie gelingt bei so vielen angeschlossenen Behörden mit extrem hohen Sicherheitsanforderungen die klare Trennung der Zugriffe? Die HZD nutzt in ihrer Cloud-Infrastruktur für die Polizei mehrere Trennungsprinzipien, die unterschiedliche Usergruppen zuverlässig voneinander abschotten – selbst, wenn sie dasselbe Verfahren nutzen. Diese Trennung erfolgt auf mehreren Ebenen:

  • Mandanten (z. B. Polizei Hessen, Polizei beim Deutschen Bundestag, Justiz Hessen)
  • Tenants/Landingzones (Instanzen oder dedizierte Bereiche, z. B. Produktions- und Testumgebungen)
  • physische Trennung nach verschiedenen Clustern/Umgebungen (z. B. Forensik, Verwaltung, Public)

Wolfgang Maier verweist auf die Vorteile: „Mit diesen Möglichkeiten können wir recht flexibel auf unterschiedliche Anforderungen reagieren und auch die Zusammenarbeit von Behörden ermöglichen, die nicht innerhalb eines Netzwerks verbunden sind. Das Beispiel der allgemeinen Zollverwaltung als neuer eAS-User zeigt das sehr deutlich: Sie gehört nicht zum Corporate Network Polizei und konnte nicht wie die anderen Polizeien als Mandant angelegt werden, sondern hat eine eigene Instanz. Rein von der Infrastruktur gesehen gibt es also keine Schnittmengen mit der Polizei. Die Netznutzung sieht das so vor. Und trotzdem ermöglichen wir per Cloud-Infrastruktur eine gemeinsame Nutzung der Verfahren und schaffen Synergieeffekte, indem bestimmte Komponenten oder Netzanwendungen für mehrere Cluster nutzbar sind – und das absolut sicher. Mit klassischer Virtualisierung wäre dies undenkbar.“

Ein weiterer Pluspunkt liegt darin, dass die interne Kommunikation zwischen den einzelnen Tenants und Mandanten durch eine sogenannte DMZ (demilitarisierte Zone) besonders geschützt ist. Diese isolierte Netzwerkzone erfüllt die Anforderungen des BSI und wehrt als zusätzlicher Schutzmechanismus unter anderem Denial-of-Service-Angriffe ab.

Einsicht nehmen per Cloud

Die erfolgreiche Cloud-Kooperationsarbeit setzt sich mit dem Sichtungsarbeitsplatz für die Justiz fort, der an den Forensik-Desktop anknüpft. Die Generalstaatsanwaltschaft kann so auf das von der Polizei sichergestellte Material zugreifen, ohne dass sie eine spezielle Arbeitsplatzumgebung benötigt oder in einer Polizeidienststelle vor Ort sein muss. Der Zugriff erfolgt sicher über die Cloud direkt vom eigenen Desktop. Das macht es leichter, relevante von weniger relevanten Fällen zu unterscheiden und dementsprechend die richtige Art des Verfahrens zu wählen.

„Wir stecken momentan noch mitten im Proof-of-Concept und überprüfen die Machbarkeit der Lösung“, so Tobias Klein. „Die Zeichen stehen gut, dass wir noch 2025 in den Pilotbetrieb gehen können. Technisch nutzen wir dieselben Mechanismen wie beim Forensik- Desktop für die Polizei, also eine virtuelle Desktoplösung, in die sich die Nutzerinnen und Nutzer leicht einklinken können, ohne Gefahr zu laufen, mit Viren oder Ähnlichem in Berührung zu kommen.“ 

Kennzahlen der Cloud-Aktivitäten für die hessische Polizei: 130.000 aktive User im Verfahren eAS, 29 29 Tenants/Landingzones, 1,2 Terabit/s Datenübertragungsrate, 3,84 TB VRAM, 2 PB Storage

Ausblick: Cloud als Plattform für vernetzte Behörden

Der Ausbau der Cloud-Services für die Polizei und andere Behörden ist in vollem Gange. Im Umfeld des Programms P20 wurde die HZD angefragt, die Rechenzentrumsinfrastruktur und den Betrieb cloudbasierter Services und polizeilicher Fachverfahren weiter auszubauen – mit dem Ziel einer zentralen Polizei-IT in Deutschland.

Dass die HZD mit ihrer Cloud tatsächlich auch für Akteure jenseits des Polizeiumfelds interessant ist, zeigt ein aktueller Auftrag des hessischen Kultusressorts: Die HZD soll bestimmte Anwendungen der Lehrer- und Schülerdatenbank (LUSD) künftig als CloudLösung betreiben. Die LUSD wird in Richtung Microservices weiterentwickelt und containerfähig gemacht – ein wichtiger Schritt, der das Thema Cloud auch im Kultusressort Gestalt annehmen lässt.

Diese und weitere Entwicklungen zeigen, wie die Verknüpfung des Knowhows aus verschiedenen Organisationen zu einer durchdachten, sicheren und flexiblen Multi-Cloud-Infrastruktur führt, die die digitale Transformation in der Verwaltung vorantreibt. Die HZD kann als Multi-Cloud-Anbieter die Anforderungen aller Kunden flexibel erfüllen – ob Polizei, Justiz, Kultus oder weitere Ressorts. So wird die Cloud zum echten Multitalent der digitalen Verwaltung.